Österreichisch-Kasachische Gesellschaft

ÖKG Podiumsdiskussion am 23. Oktober 2018 "EU UND EAWU: PERSPEKTIVEN UND GRENZEN EINER PARTNERSCHAFT"

ÖKG Podiumsdiskussion am 23. Oktober 2018 "EU UND EAWU: PERSPEKTIVEN UND GRENZEN EINER PARTNERSCHAFT"

Am 23. Oktober 2018 veranstaltete die Österreichisch-Kasachische Gesellschaft (ÖKG) gemeinsam mit der Österreichisch-Weißrussischen Gesellschaft (ÖWG) und der Forschungsstelle für Eurasische Studien der Universität Wien eine Podiumsdiskussion zum Thema „Die Eurasische Wirtschaftsunion und die EU – Perspektiven und Grenzen einer Partnerschaft“.

Am 23. Oktober 2018 veranstaltete die Österreichisch-Kasachische Gesellschaft (ÖKG) gemeinsam mit der Österreichisch-Weißrussischen Gesellschaft (ÖWG) und der Forschungsstelle für Eurasische Studien der Universität Wien eine Podiumsdiskussion zum Thema „Die Eurasische Wirtschaftsunion und die EU – Perspektiven und Grenzen einer Partnerschaft“. Der Einladung in unsere Kanzlei folgten rund 50 Interessenten aus Ministerien, Banken, Botschaften, verschiedenen internationalen Universitäten und österreichischen Unternehmen.

EU soll unvoreingenommen an die EAWU herangehen

In seiner Begrüßung skizzierte Gabriel Lansky (Präsident der ÖKG) die Perspektiven für eine Öffnung der EU zur Eurasischen Wirtschaftsunion, betonte aber gleichzeitig, dass die transatlantische Achse zwischen Westeuropa und USA trotz derzeit divergierender Auffassungen in manchen Bereichen - wie etwa der Energie- und Sicherheitspolitik - eine wichtige Konstante bleibe. Dennoch sei es an der Zeit, „dass die EU verstärkt eigenständige strategische Positionen festlegt“. Dazu gehöre ein unvoreingenommenes Herangehen an die EAWU (Eurasische Wirtschaftsunion). Zum Friedensprojekt innerhalb der EU bedarf es eines eben solchen mit dem Raum der EAWU, welches durch enge wirtschaftliche Verflechtung und ständigem Austausch auf allen Ebenen erreicht werden könne. „Stabilität und friedliche Beziehungen statt Misstrauen, Abschottung und Sanktionen sind die Erfolgsgarantie für eine gedeihliche Nachbarschaft“. Die Ukrainekrise und ungelöste Territorialfragen im Südkaukasus seien ein warnendes Beispiel. Das enorme wirtschaftliche Potential, das in einer guten Zusammenarbeit zwischen EU und EAWU liegt, sollte in dem zugegebenermaßen fernen Ziel einer Freihandelszone von Lissabon nach Wladiwostok gehoben werden.

EAWU als Bestandteil einer alternativen Staatenorganisation

Prof. Peter Bachmaier (Präsident der ÖWG) betonte in seiner Begrüßung, dass die Eurasische Wirtschaftsunion (EAWU) zugleich mit der Organisation für kollektive Sicherheit, den BRICS-Staaten und der Shanghai Cooperation Organisation eine alternative Welt aufbaue. Belorus, als Teil des Unionsstaates Russland/Belorus, sei ein wesentlicher Bestandteil dieser Staatenorganisationen und könne dadurch auch seine Souveränität und Sicherheit besser verteidigen.

EAWU ist kein ideologisches Projekt

Die Podiumsdiskussion wurde von Prof. Otmar Höll vom Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien geleitet. Der Experte für internationale Politik sprach von einer zunehmend multipolaren Welt, in der ein „Power Shift“ nach Osten festzustellen sei. Vladislav Belov vom Europa-Institut in Moskau wies darauf hin, dass die 2015 gegründete EAWU in der außenpolitischen Orientierung Russlands ein prioritärer Vektor sei. Die USA und EU beobachteten die EAWU mit Argwohn, weil sie eine Dominanz Russlands und damit eine Wiederherstellung der alten Sowjetunion befürchten. Aber es gebe nicht die geringste Absicht einer Rückkehr zur Sowjetunion, das sei „eine ideologisierte Einstellung“. Laut Vladislav Belov war die Entwicklung der EAWU als Brücke zwischen Europa und Asien ein Schlüsselprojekt, da die Union ein "großes Transitpotenzial hat. Es wächst der Handel innerhalb der EAWU und es wächst der Handel mit externen Partnern“. Jüngstes Beispiel sei das Freihandelsabkommen mit Vietnam. Gleichzeitig bestehe eine ernsthafte Konkurrenz durch das chinesische Projekt „One Belt One Road“, das unter anderem mit der Gefahr verbunden ist, Waren aus Asien unter Umgehung der EAWU-Länder umzuleiten. Gleichzeitig war Vladislav Belov skeptisch gegenüber den Aussichten für die Entwicklung offizieller Beziehungen zwischen der EU und der EAWU, da die Europäische Union die Integration im postsowjetischen Raum nicht anerkennen wolle. Russland bleibe, auch durch die intensivierte Zusammenarbeit mit China ein „Global Player“ – trotz Sanktionen.

EAWU ist primär eine Wirtschaftsunion

Der kasachische Vertreter Prof. Zhenis Kembaev betonte, dass die EAWU im Prinzip nach der gleichen Logik wie die EU aufgebaut sei, aber keine supranationale politische Union darstelle. Präsident Nazarbaev sei von Anfang an sowohl Treiber der Idee einer Wirtschaftsunion als auch Anhänger der Souveränität der einzelnen Mitgliedsstaaten. Kasachstan sei gleichzeitig Mitglied der Organisation für kollektive Sicherheit, die sich mit der EAWU ergänze und der Verteidigung der Mitgliedsstaaten diene. Als Gefahren für die Staaten würden besonders der islamische Fundamentalismus und die Farbenrevolutionen gesehen. Die eurasischen Staaten strebten eine multipolare Welt an. Im Mai 2018 wurde ein Abkommen zwischen der EAWU und China über die Neue Seidenstraße unterzeichnet. Prof. Vyacheslav Yaroshevich von der Belarussischen Staatlichen Universität Minsk betonte die Souveränität von Belarus im Rahmen der EAWU, räumte aber gleichzeitig die engen wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zu Russland ein, ohne die das Land nicht bestehen könne. Sein Land sei ein Gewinner im Bunde wegen seines Handelsprofils. Mit einem Anteil von 50 % am internen Handel habe Belarus den höchsten Grad an Integration erreicht. Belarus sei als einziger postsowjetischer Staat kein Mitglied der Welthandelsorganisation WTO und habe auch kein Interesse daran. Als Beispiel für die Erfolge der Zusammenarbeit mit der Eurasischen Union und China für Belarus erwähnte er den „High Technologies Park“ bei Minsk, eine exterritoriale Sonderwirtschaftszone. Der Aufbau neuer und nachhaltiger Industriestrukturen sei für Belarus eine Notwendigkeit und große Herausforderung zugleich.

EAWU arbeitet erfolgreich – es besteht allerdings das Risiko der Reprimarisierung

Julia Eder, Soziologin an der Johannes Kepler Universität Linz, arbeitet an einer Dissertation über die EAWU im Vergleich zur Wirtschaftsunion Mercosur. Ihren Studien zufolge kann man sagen, dass die EAWU im Vergleich sehr gut arbeite – obwohl sie erst seit 2015 bestehe. Eder beobachtet zwar einen Prozess der Reintegration, was aber nichts mit einer Wiederherstellung der Sowjetunion zu tun habe. Die wirtschaftliche Kooperation, vor allem zum Aufbau neuer Industriezweige, werde von den Staaten der EAWU als große Chance gesehen. Dennoch besteht eine Gefahr der Reprimarisierung, das heißt Rückkehr zu den Rohstoffen.

Ukrainekrise, Umsetzung der 4 Freiheiten und wirtschaftliche Dynamik Russlands als Herausforderung für die EAWU 

Alexander Dubowy, Koordinator der Forschungsstelle für eurasische Studien (EURAS), wies auf die gegenwärtigen Probleme hin, zu denen vor allem die Sanktionen der EU und der USA gegen Russland zählen. Er ortet drei große Problemfelder: geopolitische, integrationspolitische, motivationspolitische. Die Ukrainekrise führe zu latenten Spannungen innerhalb der EAWU. In Belarus und Kasachstan gebe es Unsicherheit über die territoriale Unverletzlichkeit. In Kirgisien und Kasachstan leide man unter Transitbeschränkungen im Rahmen der Gegensanktionen. Die 4 Freiheiten seien wegen vieler Ausnahmen noch nicht umgesetzt. Vertragsverletzungsverfahren wie in der EU seien in der EAWU nicht möglich. Wegen der schwachen wirtschaftlichen Dynamik Russlands bestehen momentan keine zusätzlichen Anreize für mehr Integration bei den anderen Mitgliedern und möglichen Beitrittskandidaten. Eventuelles Hegemoniestreben Russlands werde von den anderen Partnern geschwächt.

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